Noch über 50 Jahre nach dem Ereignis erinnert sich Jürgen Grebin recht lebhaft an das damalige Himmelsspektakel. Als 13-Jähriger erlebte er ganz unvorbereitet die partielle Sonnenfinsternis, die sich ihm tief einprägte.
Jürgen Grebin
(Reppenhagen in Nordwest-Mecklenburg)
Durch die Beobachtung der partiellen Sonnenfinsternis vom 11. August 1999 in Rostock wurde ich an ein bedeutendes Erlebnis meiner Kindheit erinnert.
Nach über einem halben Jahrhundert konnte ich zu meiner Überraschung im Internet sogar noch etwas darüber erfahren - die partielle Sonnenfinsternis vom 9. Juli 1945.
Es waren erst wenige Wochen nach dem Ende des 2.
Weltkrieges, den ich von Anfang an miterlebt und zu spüren bekommen habe. Unser Vater von 5 Kindern war 1941 in der Sowjetunion gefallen. Das ist bei mir im Gedächtnis als ein grausames Erlebnis
haften geblieben.
Als 13-jähriger Junge hatte ich bis dahin von einer Sonnenfinsternis noch nichts
gehört, auch nicht vom Erzählen anderer. In unserem Dorf Reppenhagen im heutigen Kreis Nordwestmecklenburg hatten wir damals ganz andere
Sorgen, vor allem um unser täglich Brot. In der Volksschule hatte ich noch
nichts von Sonnenfinsternissen gehört und Erklärungen besonderer Art gab es nicht.
Es war ein warmer Sommertag. Mit dem Eintreten der Verdunkelung durch das allmähliche Verschwinden der Sonne wurde das Vieh, besonders die Kühe, ganz unruhig. Die Vögel flatterten aufgeregt herum und ein kräftiger Wind kam auf. Es wurde eigenartig schummerig und kühl.
Die partielle Verfinsterung der Sonnenscheibe muß mächtige Auswirkungen gehabt haben, denn wir haben eine
Dunkelheit gespürt. Den großen Unterschied habe ich
zutiefst behalten.
Ganz unheimlich wurde uns, denn auf dieses Erlebnis der Natur waren wir nicht eingestellt. Zeitung, Radio und Fernsehen hatten wir in den Nachkriegsmonaten nicht, da wir unser Radiogerät an die Besatzungsmacht abgeben mussten. Alles kam ganz überraschend, ohne das wir uns darauf vorbereiten konnten.
Natürlich hatten
wir damals keine Schutzfolie oder Brille. Für uns waren die Erscheinungen der Luftbewegung, das Unruhigwerden der
Kühe, das Hin - und Herflattern der Vögel viel wichtiger.
Hinterher war alles wieder wie früher. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob wir
noch lange darüber gesprochen haben. Meine Mutter, als
Försterstochter eine kluge Frau, hat uns zwar gesagt, daß es sich um eine
Sonnenfinsternis handelte, doch mehr auch nicht. Die Schule begann damals erst wieder im
Oktober. Bis dahin war alles wieder vergessen.
Übrigens, Angst hatten wir
nicht. Wir konnten auf Grund der Situation ohne Rundfunk und Zeitung
auch keine Erklärungen erwarten. Wir erlebten bzw. durchlebten dieses Naturschauspiel, das im wahrsten Sinne des Wortes über uns kam.
Nachtrag: Viele Jahre habe ich darauf gewartet, es möge sich jemand in Deutschland melden, der wie ich die Sonnenfinsternis im Juli 1945 erlebt hat. Heute am 25. März 2015 bekam ich einen Brief von Frau Erhardt aus Barsinghausen, die mir schrieb: "Wie habe ich mich gefreut, als ich gestern Ihre Schilderung der Sonnenfinsternis im Juli 1945 gefunden habe. Ich habe diesen Tag ähnlich wie Sie erlebt. Ich war in unserem Garten, als ich bemerkte, dass es dunkler wurde und unsere Hühner aufhören zu picken und alle in ihren Stall zum Schlafen gingen. Da es mir kalt wurde, der Himmel aber wolkenlos war, sah ich, dass sich der Mond vor die Sonne geschoben hatte. Diese Sonnenfinsternis hat sich bei mir eingeprägt. Als die Medien die bevorstehende Sonnenfinsternis ankündigten, habe ich immer gesagt: So etwas habe ich schon einmal kurz nach dem Krieg erlebt, aber es war Sommer!
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